Na sowas

Brigitte Bierlein, die Bundeskanzlerin des Interregnums, hat sich mit einer Videobotschaft (!) verabschiedet. Das ist doppelt bemerkenswert. Selbst für den Fall, dass ihr das möglicherweise ihre Berater und Redenschreiber so anempfohlen haben …

Immerhin hat sie es gemacht. Sie hätte sich ja auch mit einer einfachen Presseaussendung begnügen können. Nein, ganz dem Heute geschuldet, macht frau das übers Netz. Und darüber hinaus wird sie bei dieser Ansprache ja nicht etwas von sich gegeben haben, zu dem sie nicht steht, was sie nicht so meint.

Zunächst einmal werden Blumen gestreut: »Wir (gemeint sind die Österreicherinnen und Österreicher) sind offen, tolerant und kreativ.« Soso; seit wann? Kreativ mag ja noch durchgehen, aber offen und tolerant ..?


Natürlich ist das als ein Kompliment gemeint. (Wie so manches andere in ihrer Abschiedsbotschaft.) Sei‘s drum; Bei Komplimenten und Höflichkeitsformeln darf man ja gerne übertreiben, den Honig ums Maul schmieren, wie der Volksmund sagt. Viel Honig gibt‘s dann auch bei Formulierungen wie: »Mein größter Dank aber gilt Ihnen, Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger … Sie sorgen nicht nur dafür, dass unser Land gut funktioniert. Sie zeichnen unser Land aus.« Sowas hört man freilich gerne.


Die kreativen Österreicherinnen und Österreicher ahnen es: jetzt kommt der erhobene Zeigefinger. Weil – auch wenn »die mit den europäischen Partnern geführten Diskussionen oft schwierig erscheinen mögen …« – so muss jetzt die europäische Idee erinnert, ja angemahnt werden. »Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Medienvielfalt sind dabei die stärksten verbindenden Elemente«, so Bierlein im Originalton und fordert auf »die demokratischen Errungenschaften nie als selbstverständlich anzusehen« und »den europäischen Geist und offenen Dialog zwischen den Völkern weiterhin mit Leben zu erfüllen und aktiv zu praktizieren«.


Die Einschätzung, dass wir uns an die Demokratie (die Macht geht vom Volk aus) gewöhnt haben, sie als selbstverständlich erachten, ist nicht neu, kann aber gar nicht oft genug betont werden. Demokratie bedeutet nämlich, sich aus der oft zitierten Komfortzone heraus zu bewegen und sich einzubringen. Jede und jeder – und nicht nur an der Wahlurne ...


Und nicht zuletzt deshalb ist diese Videobotschaft der parteilosen Juristin Bierlein mit den Schlüsselbegriffen »Meinungsfreiheit, Medienvielfalt und Demokratie« mehr als ein einsamer Ruf in der Polit-Wüste. Bravo! //(clash)