Aftermath

Zum ersten Mal ist uns dieser Begriff auf einer alten Langspielplatte (1966) untergekommen. Allerdings erscheint da das Wort »AFTER« in der ersten Zeile und das Wort »MATH« in der zweiten. Zugegeben: mit einem kleinen Trennstrich, dafür mit einem Foto, das Keith Richards, Mick Jagger, Bill Wyman, Charlie Watts und Brian Jones zeigt …

Das Vinyl ist bestückt mit heute gut abgehangenen, alten Hadern, wie »Mother‘s Little Helper« (auf der UK-Fassung), »Paint it Black« (USA-Fassung), »Lady Jane«, »Under My Thumb« oder auch dem über elf Minuten dauernden und nur schwer erträglichen »Goin‘ Home«. Das Musiker-Magazin »Rolling Stone« zählt das Album zu den besten 500 aller Zeiten. Ungeklärt bleibt, wieso die Jungs 1966 ihr Werk auf »Nachwirkung» oder auch »Scherbenhaufen« tauften; der Titel würde nämlich perfekt zu einem Album über die Zustände im Sommer 2020 passen.


Während einige schon vorher Vermutungen, ja Prognosen wagten, was nachher nicht alles anders sein würde, sein sollte, müßte ..., warnen nicht wenige, dass die Sache noch längst nicht ausgestanden wäre, vielmehr uns noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte begleiten würde. Die Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel. Die WHO berichtet am 21. Juni von bisher fast neun Millionen Infektionen und mehr als 465.000 Verstorbenen. Gleichzeitig sind 183.020 neue Infektion (besonders in Nord- und Südamerika) dazukommen; innerhalb von 24 Stunden - der höchste jemals registrierte Anstieg.


Auch wenn man in Europa versucht, zum »alten Leben« zurück zu kommen, beschleunige sich die Pandemie weiter. Denn, so die WHO, »niemand ist in Sicherheit, solange nicht alle in Sicherheit sind«. Und: Es gehe nicht nur um eine Gesundheitskrise, sondern auch um eine wirtschaftliche und soziale und in vielen Ländern auch um eine politische Krise (genauer: Krise der Demokratie; Anm. d. Verf.). Nicht zu vergessen, erlauben wir uns anzufügen, die seit Jahrzehnten wachsende Umweltkrise. Die größte Gefahr, so die Einschätzung der WHO, sei dabei nicht das Virus selbst, »sondern der Mangel an globaler Solidarität und globaler Führung«. Globale Solidarität? Globale Führung? Träumt weiter, fällt einem dazu ein.


Aber träumen wird man ja wohl noch dürfen. So wie unsere geschätzten Zukunftsforscher. Während die einen wenigstens den Globalen Kapitalismus angezählt vermuten, sind die anderen vorsichtiger und einigen sich auf die bekannte Formel, wonach auch oder gerade diese Krise die Möglichkeit, ja einmalige Chance zur Veränderung biete (Scobel). Dazu auch der Hinweis auf die nicht weniger bekannte Schlussfolgerung, dass die Zukunft in der Gegenwart gemacht werde. Dass also das, was wir (oder die Politik, die Gesellschaft, die Ökonomie) heute tun, unser aller Morgen bestimmt.


Vorher allerdings sollten wir alle (die Politik, die Gesellschaft, die Ökonomie) aus der Krise etwas gelernt haben und dieses etwas – was auch immer es sein mag – sollte unsere Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen. Soweit, so vage; soweit, so unscharf … und die Fragen: in welchen Teilen unserer Gesellschaft denn überhaupt Lernbereitschaft vermutet werden darf? In welchen Teilen unserer Gesellschaft denn überhaupt mit offenen Karten gespielt wird?


Jetzt, so klingt es vielerorts, können, ja müssen die Weichen gestellt werden. Mit »Mother‘s Little Helper« - bekanntlich eine Anspielung auf in die Abhängigkeit führende Beruhigungspille Valium – wird es jedenfalls nicht getan sein. //(clash)